Portrait Annegret Kramp-Karrenbauer

Ja, ich erinnere mich an dich!

 

„Können Sie sich noch an mich erinnern?“, fragte mich die junge Frau vorsichtig von der Seite, als wir nach der Christmette gemeinsam die Kirche verließen. „Aber ja doch. Du warst mit meiner Tochter in der Grundschulklasse, und ihr habt beim Musical mitgemacht.“ Und ein kleines Strahlen huschte über ihr Gesicht.


Was für ein Geschenk, mich erinnern zu können. Ein Geschenk für mich selber. Denn erst durch das, was ich in meinem Leben erfahren, gedacht und gefühlt habe, und dadurch, dass ich mich darin erinnern kann, bekommt mein Leben eine unverwechselbare Geschichte. Ohne Erinnerungen wäre ich wie ein unbeschriebenes Blatt. Das Erinnern ist zugleich ein Glück für die Menschen, an die ich mich erinnere. Sich an jemanden erinnern ist ein Zeichen des Respekts, der Achtsamkeit und der Wertschätzung – manchmal auch der Dankbarkeit. Keiner will vergessen werden. Deshalb pflegen wir in unserem Land eine Kultur des Erinnerns. Und in unserer eigenen Erinnerung lebt auch etwas von der Lebensgeschichte derer, die ihre Erinnerung verloren haben.


Schließlich ist das Erinnern immer auch ein Auftrag für uns in der Gegenwart. In diesem Sinne hat die Erinnerung einen festen Platz in der jüdischen und christlichen Glaubenstradition. Unzählige Male werden wir Menschen in der Bibel aufgerufen, nicht zu vergessen. Weil aus dem Erinnern an die Vergangenheit eine Verantwortung für die Gegenwart erwächst. Weil das Erinnern immer auch Konsequenzen für unser jetziges Handeln hat. Nur wenn das erinnerte Vergangene Teil unseres eigenen Lebens wird, wissen wir, was jetzt und für die Zukunft getan werden muss.


Annegret Kramp-Karrenbauer

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