Portrait Julia Klöckner

 

Es gärt. Hefe liegt über den Kellern. Tresterdampf im Dorf. Das ist Erinnerung. Erinnerung an meine Kindheit in Guldental, einem Weindorf, zur Zeit der Traubenernte. Meine Erinnerungen - das sind auch Bilder von weiten Feldern, gelbem Raps, goldenem Korn, Geruch von Stroh und Heu. Flimmernde Sommerhitze, endlose Ferien. Mofa fahren, ohne Helm, Freiheitsgefühl auf dem Land.

 

Es sind gute Erinnerungen. Warum? Sie sind ein Stück Heimat, ein Stück Geschichte, ein Stück Identität. Zeugen meiner Wurzeln. Gute Erinnerungen, das sind Gedanken in Farbe aus anderen Zeiten, dennoch zeitlos. Weil sie abrufbar sind, zu jeder Zeit. Erinnerungen sind ein Schatz, sie können mich in Stimmungen versetzen, ich kann sie aus der Flasche lassen, nicht immer lassen sie sich wieder einfangen.

 

Erinnerungen begleiten mich – und das, was heute geschieht, das sind die Erinnerungen von morgen. Erinnerungen können auch verblassen, statt bunt nur noch schwarz-weiß. Ereignisse können auch vergessen werden, nicht den Sprung in den Erinnerungsaufzug schaffen. Sie sind nicht wichtig genug. Unsere Festplatte ist irgendwann voll. Sie sind zu schmerzhaft. Ein Leben ganz ohne Erinnerung? Undenkbar. Und doch: Wenn sie aus dem eigenen Bewusstsein verschwunden sind, vielleicht nur noch kurz aufblitzen, sogar das Jetzt ersetzen, dann sind die Erinnerung und das Jetzt eins. Oder umgekehrt. Jeder gute Moment ist dazu geeignet, eine gute Erinnerung zu sein, zu werden, gewesen zu sein ... Später. Oder früher.

 


Julia Klöckner

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